(aus dem Berliner Strassenmagazin «motz», Ausgabe 14/11 vom 28.6.11)
Als Hund, der schon solange in Westberlin lebt, wäre ich schon längst eigebürgert, und ich bräuchte nicht jedes Jahr um meine Aufenthaltsgenehmigung betteln.
Als Hund, der schon solange in Westberlin lebt, hätte ich längst die Rechte eines deutschen Menschen, und keiner wollte mich ausweisen.
Als Hund, der schon solange in Westberlin lebt, würden sie mich streicheln und freundlich begrüssen, und keiner würde auf mich herab sehen.
Als Hund, der schon solange in Westberlin lebt, hätte ich nicht Lokalverbot, sondern ich wäre in den ersten Häusern willkommen.
Als Hund, der schon solange in Westberlin lebt, hätte ich eine anständige warme Wohnung und nicht eine Hütte im Abrisshaus.
Als Hund, der schon solange in Westberlin lebt, brauchte ich mich nicht schämen, viele Kinder zu haben.
Als Hund, der schon solange in Westberlin lebt, würde mich keiner Kanake nennen oder Kameltreiber.
Ja, wenn ich ein Hund wäre, und ich würde schon so lange in Westberlin leben, ja, dann trüge ich ein schönes Band am Hals und könnte hinscheissen, wohin es mir passt.
Jusuf Naoum
(aus: Tanzende Brennende Fakten. Zeitungsausschnitte und literarische Phantasie. Hrsg. von Wolfgang Fehse u.a. Berlin: W. Fehse Verlag 1984, S. 19)